Vereinschronik - Von der Scheune ins Internet

Ein lebendiger Verein, der aus einer Dorfgemeinschaft natürlich gewachsen und in ihr verankert ist, sollte sich nicht nur seiner Gegenwart und Zukunft bewußt sein, sondern gleichermaßen auch seiner Geschichte, denn nur so ist die Entwicklung eines Vereines erfahrbar. Unser Musikverein kann inzwischen auf siebzig Jahre reichhaltiger Geschichte und gelebter Traditionen zurückblicken, was in den nachstehenden Zeilen, die ohne die hervorragende Archivarbeit und Unterstützung von Herrn Josef Breit nicht so ausführlich ausgefallen wären, zum Ausdruck kommen soll.

Jetzt tanzen wir noch dem Weber Matt’s sein Polka

Die Wurzeln der Rascheider Musik finden sich in der Musikerfamilie Mathias Weber. Immerhin sechs Familienmitglieder konnten auf verschiedenen Blas- oder Streichinstrumenten musizieren. Bereits einige Jahre vor der Gründung des Musikvereins Rascheid wurde die Musik im Hause Weber mit einigen interessierten Leuten gepflegt. Zu den Musikern gehörte auch Pfarrer Anton Höning, der im Jahre 1919 in die Pfarrei Rascheid eingeführt wurde und außerordentlich musikalisch begabt war. Er war ein ausgezeichneter Sänger und erwies sich als Könner im Spielen verschiedener Blasinstrumente. So manche freie Stunde verbrachte er bei der Musikerfamilie Weber. Die selbst erzeugte Musik grub sich fortan immer tiefer in das Bewußtsein der Dorfbevölkerung ein. So kann sich eine Zeitzeugin erinnern, daß bei lustigen Anlässen, so etwa bei Fastnachtsfeiern im ehemaligen Gasthaus Leis, der schon in Rascheid zur Redewendung gewordene Satz fiel: "Jetzt tanzen wir noch dem Weber Matt's sein' Polka" (Zeitzeugin Helena Klemens, Rascheid).

Mit der Zeit wuchs bei einigen jungen Leuten der Wunsch, selbst zu musizieren und eine Musikgruppe zu gründen. Eine nahezu unüberwindbare Hürde schien zunächst die Beschaffung von geeigneten Instrumenten zu sein, denn schließlich war die finanzielle Lage infolge der Geldentwertung im Jahre 1923 äußerst bescheiden. Pfarrer Höning, der von diesen Schwierigkeiten erfuhr, wußte Rat. Er selbst, der nicht unvermögend war, erklärte sich bereit, aus Liebe zur Musik einige Instrumente aus eigener Tasche zu finanzieren. Bald waren Trompeten und Hörner vorhanden. Mit großem Eifer und viel Geschick wußte Pfarrer Höning die musikbegeisterte Jugend in das Musizieren einzuführen. Unter seiner Anweisung wurde im Pfarrhaus, sogar in der Scheune und bei schönem Wetter im Pfarrhof musiziert.

Das Gründungsjahr 1928

Im Jahre 1928 wurde von Pfarrer Anton Höning, Alois Andres, Peter Biwer, Heinrich Breit, Jakob Breit, Mathias Eiden, Mathias Eiden-Rausch, Nikolaus Eiden-Krämer, Adolf Kolz, Hermann Lorscheider, Josef Lorscheider, Peter Lorscheider, Albert Ludwig, Emil Ludwig, Mathias Ludwig, Nikolaus Ludwig, Otto Ludwig, Peter Ludwig, Heinrich Michels, Ferdinand Thielen, Mathias Welter und Peter Welter der Musikverein Rascheid gegründet. Auf eine Urkunde des Gründungsaktes kann leider nicht zurückgegriffen werden.

Auffällig ist, daß niemand von der Musikerfamilie Weber zu den Gründungsmitgliedern zählt. Das hängt indessen mit dem fortgeschrittenen Alter der Familienmitglieder zusammen. Im übrigen war es zu dieser Zeit für die in der Familie Weber musizierenden Frauen wohl etwas ungewöhnlich in einem Verein aktiv zu sein. Pfarrer Höning dirigierte den Verein und war gleichzeitig 1. Vorsitzender.

Den ersten öffentlichen Auftritt hatte der Musikverein 1929 anläßlich des Feuerwehrfestes in Rascheid. Ein weiterer Höhepunkt im gleichen Jahr, war das Mitwirken im Festzug bei einer Deutsche-Jugend-Kraft (DJK)-Sportveranstaltung in Reinsfeld. Hierbei ist erwähnenswert, daß man den Hin- und Rückweg zu dieser Veranstaltung mit den Instrumenten zu Fuß bewältigte. Am 30. Januar 1933 verstarb Pfarrer Anton Höning im Alter von 51 Jahren. Im Amt des Vorsitzenden folgte Pfarrer August Muth, der am 28. März 1933 in die Pfarrei Rascheid eingeführt wurde. Dirigent war nunmehr Nikolaus Eiden-Krämer, der den Musikverein Rascheid zu einem auf dem Hochwald anerkannten Musikverein führte. Manche frohen Stunden wurden bei benachbarten und befreundeten Vereinen verbracht.

Im Dorfe selbst war keine kirchliche oder weltliche Feierlichkeit mehr ohne den musikalischen Rahmen des Musikvereins denkbar. Eine Tradition, die sich bis heute bewahrt hat.

Die schwere Zeit im Nationalsozialismus und der Wiederanfang

Der Nationalsozialismus und der durch ihn verursachte Zweite Weltkrieg brachten die Vereinsaktivitäten zum erliegen. Im Jahre 1937 wurde Pfarrer Muth wegen seines Widerstandes gegen die Nationalsozialisten zwangsweise versetzt, nachdem er bereits elf Monate inhaftiert war. Weitere drei Mitglieder des Musikvereins waren 1935 wegen ihres Widerstandes mehrere Monate in Trier inhaftiert worden (Zur Vertiefung: Anklageschrift des Oberstaatsanwaltes bei dem Sondergericht Köln vom 16. Oktober 1935, Az. 1 Satz. 778/35). Bis zum Kriegsbeginn übte Nikolaus Eiden-Krämer neben seinem Dirigentenamt auch die Funktion des 1. Vorsitzenden aus. Im Zweiten Weltkrieg mußten fast alle Musiker das Instrument gegen die Waffe tauschen. Sechs Vereinsmitglieder, namentlich Hermann Lorscheider, Mathias Welter, Jakob Breit, Heinrich Breit, Peter Biwer und Dirigent Nikolaus Eiden-Krämer kehrten nicht aus dem Krieg zurück.

Als die Katastrophe vorüber war und die Überlebenden nach und nach zurückgekehrt waren, besann man sich zu einem Neuanfang in der Musik. Obwohl die Zeit des Wiederbeginns im Jahre 1948 sehr schwer war, blickte man trotzdem hoffnungsvoll in die Zukunft. Wieder war die Währung zerfallen. Ein Teil der Instrumente war während des Krieges beschädigt worden, ein anderer Teil verlorengegangen. Es mußten neue Instrumente gekauft und die beschädigten repariert werden. Anfang der 50er Jahre hatte die Feuerwehr Rascheid die vorhandenen Instrumente aus der Gründung des Vereins von der Pfarrei erhalten. Die Feuerwehr stellte diese Instrumente dem Musikverein zur Verfügung.

Pfarrer Höning hatte alle Instrumente, die er beschafft hatte, nach seinem Tode testamentarisch der Pfarrei Rascheid vermacht. Am 30. Dezember 1966 kaufte die Ortsgemeinde Rascheid die Instrumente auf und es erging ein Gemeinderatsbeschluß, diese durch Schenkung in das Eigentum des Musikvereins zu geben. Unter dem neuen Dirigenten Matthias Eiden-Rausch gelangte der Musikverein wieder zu Ansehen und Geltung in der Bevölkerung. Der Spielbetrieb konnte wieder aufgenommen werden und es wurde möglich, 1956 am Festzug zum 30. Stiftungsfest der Feuerwehr Rascheid teilzunehmen. Fortan häuften sich die Auftritte. Beispielsweise gestaltete man 1957 auf einem LKW der Raiffeisen Warenzentrale den Rosenmontagszug in Hermeskeil und 1960 einen Festzug in Beuren mit. Am 10. September 1961 traf man sich in Kell am See zur ersten Zusammenkunft der Gruppe Hochwald, so daß organisatorische Abstimmungen zwischen den Musikvereinen des Hochwaldes möglich wurden (Rundschreiben des langjährigen Dirigenten und 1. Vorsitzenden des Musikvereins Lyra Gusenburg, Günter Dellwo, vom 22. November 1981).

Die Vereinsjubiläen

1965

Am 15. Dezember 1965 wurde die erste Satzung des Musikvereins beschlossen. Im gleichen Jahr fanden die Festlichkeiten zum 35jährigen Bestehen des Vereins in der Halle des Sägewerkes der Zimmerei Paul Ludwig statt.

Zwanzig Gastvereine waren zu diesem Jubiläum erschienen. Eröffnet wurden die Festlichkeiten samstags mit einem Festabend. Der Vereinsvorsitzende begrüßte die zahlreichen Besucher, insbesondere den Protektor des Festes, Amtsbürgermeister Bier. In einer kurzen Ansprache gab Schirmherr Bier seiner Freude darüber Ausdruck, daß von den fünfzehn Gemeinden seines Amtsbezirks zehn Ortschaften über relativ starke Musikkapellen verfügen. Er hob im weiteren das gemeinnützige Wirken der Musikvereine hervor und wünschte dem Jubelverein für die Zukunft viel Erfolg. Der Landesvorsitzende des Deutschen Volksmusikverbandes ging in seiner Festansprache auf das stete Wachsen der Kapellen, Vereine und des Verbandes ein. Dieses Wachsen der Gemeinschaft der Musikausübenden beseitige jede Besorgnis, so der Landesvorsitzende, daß die Volksmusik durch die mechanisierte und konservierte Musik in Gefahr kommen könne.

Anschließend wurden Otto Ludwig, Heinrich Michels, Josef Lorscheider und Mathias Eiden-Rausch mit der goldenen Ehrennadel nebst Ehrenbrief für 35jährige aktive Mitgliedschaft ausgezeichnet. Gegen 22.30 Uhr wurde das Programm kurz unterbrochen, um den Festbesuchern Gelegenheit zu geben, das Feuerwerk zu bestaunen.

Am Sonntagvormittag fand nach dem Festgottesdienst die Ehrung der Gefallenen und Vermißten der beiden Weltkriege durch Kranzniederlequng am Ehrenmal statt. Am Nachmittag zogen die Gastvereine in einem großen Festzug durch den fahnengeschmückten Ort.

Anschließend erfolgte das Ehrenspielen der Gastvereine. Das Fest klang aus mit Tanz und fröhlicher Unterhaltung (im Zusammenhang zitiert: Bericht des "Trierischen Volksfreundes" vom 31. Mai 1965).

1969

Anläßlich des 40jährigen Vereinsjubiläums resümierten der "Trierische Volksfreund" und "Rund um Hermeskeil" in ihren Berichten:

Seit vielen Jahren geben sich die sowohl zahlen- als auch leistungsmäßig starken Musikvereine des Hochwaldraums alljährlich ein Stelldichein, um neben der Gemeinschaft auch die Volks- und Blasmusik intensiv zu fördern.

Anläßlich des 40jährigen Bestehens des Musikvereins Rascheid fanden diese Feierlichkeiten im Jahre 1969 in Rascheid statt. Der gastgebende Jubelverein selbst war von jeher einer der besten Interpreten der Volks- und Blasmusik. Die Rascheider Musiker verfügen über ein ansprechendes Leistungsniveau und das trotz der Tatsache, daß die Landgemeinde Rascheid
nur wenige hundert Einwohner zählt. Die Kapelle hat, wie nahezu jeder ländliche Musikverein, während ihres Bestehens von vier Jahrzehnten Höhen und Tiefen zu durchwandern gehabt. Entscheidend ist jedoch, daß man immer wieder den Weg zu sich selbst und damit zur Musik zurückgefunden hat.

1978

Über das 50jährige Vereinsjubiläum berichtet der "Trierische Volksfreund" in seinem Beitrag vom 29. Mai 1978 (im Zusammenhang zitiert, teilweise ergänzt):

Rund 40 Musikkapellen, Spielmanns- und Fanfarenzüge mit etwa 1500 Musikern sorgten mit ihrem Besuch dafür, daß Rascheid am Wochenende vom 26. bis 29. Mai 1978 ganz im Zeichen der Volks- und Blasmusik stand. Anlaß dieser Musikfesttage war das 50jährige Bestehen des Musikvereins Rascheid verbunden mit dem Treffen aller Musikvereine des Hochwalds. Die Schirmherrschaft hatte der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Hermeskeil, Herr Becker, übernommen. Angesichts der vielen mitwirkenden Vereine sah sich der Veranstalter gezwungen, das Festprogramm auf vier Tage auszudehnen. Höhepunkt des Geschehens bildete der Festkommers freitagabends, zu dem der Vereinsvorsitzende Peter Weber ein "volles Haus" willkommen hieß. Bürgermeister Becker würdigte in seiner Ansprache das gemeinnützige Wirken der Rascheider Musiker in den vergangenen Jahrzehnten. Der Musikverein sei stets eine tragende Stütze des kulturellen Dorfgeschehens gewesen. Seinen ganz besonderen Dank zollte der Bürgermeister dem Dirigenten Mathias Eiden-Rausch, der nicht nur dem Verein seit Gründung aktiv angehöre, sondern der darüber hinaus seit 1948 das Dirigentenamt ausübe.

Im weiteren Verlauf nahm der Festprotektor gemeinsam mit dem Vorstandsmitglied des DVB Verbandes, Herrn Hermann Nickels, die Ehrung von langjährigen Vereinsmitgliedern vor. Mit der Volksmusiker-Ehrennadel in Silber wurden ausgezeichnet: Peter Weber, Heinrich Michels jun., Richard Ludwig, Alfons Thielen, Richard Alt, Ferdinand Lorscheider, Gilbert Heib, Otto Kolz, Gerhard Rausch und Werner Ludwig. Für 50jährige inaktive Mitgliedschaft wurden Otto und Albert Ludwig und für 50jährige aktive Mitgliedschaft Heinrich Michels sen. geehrt. Eine besondere Ehrung gab es für Dirigent Mathias Eiden- Rausch, und zwar sowohl durch den DVB-Kreisverband als auch durch den Musikverein und die Ortsgemeinde Rascheid.

Am folgenden Samstagabend gaben sich weitere 20 Musikkapellen ein Stelldichein, beim Freundschaftsspielen am Sonntagnachmittag ein weiteres Dutzend. Der vierte Festtag war einem großen Kinderfest gewidmet und Klang mit Kaffee und Kuchen für alt und jung aus.

1988

Die Presse berichtete über das 60jährige Jubiläum des Musikvereins Rascheid (Bericht des "Rund um Hermeskeil" vom 26. Mai 1988 und vom 9. Juni 1988, Bericht des "Trierischen Volksfreundes" vom 7. Juni 1988, Bericht des "Hochwälder Wochenspiegels" vom 6. Juni 1988 - im Zusammenhang zitiert und teilweise ergänzt):

Ein voll besetztes Zelt mit vielen Ehrengästen konnte am Freitag, dem 3. Juni 1988, Peter Weber, der 1. Vorsitzende des Musikvereins Rascheid, anläßlich seines 60jährigen Jubiläums begrüßen, zu dem sich in diesen drei Tagen fast alle Musikvereine des Hochwalds und darüber hinaus eine große Anzahl von Gastvereinen eingefunden hatten.

Schirmherr Franz Peter Basten, Staatssekretär im Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz, brachte in seinem Grußwort zum Ausdruck, daß das 60jährige Wirken des Musikvereins Rascheid und das Hochwald-Treffen der Musikvereine zu diesem 60. Geburtstag ein wichtiger Beitrag zur Entwicklung der musikalischen Kultur des Hochwalds seien.

Auch der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Hermeskeil, Oskar Becker, brach in seiner kurzen Ansprache eine Lanze für die Rascheider Musiker. Den ersten Teil des Festprogramms bestritten die Rascheider Musiker mit flotten Beiträgen, nachdem das Fest mit einem musikalischen Einzug von der Pfarrkirche aus zum Festzelt begonnen hatte. Anschließend warteten der Gesangverein Rascheid sowie eine Reihe weitere Musikvereine mit ihren Beiträgen auf.

Den Höhepunkt des Abends bildete die Ehrung aktiver Musiker und der Gründungsmitglieder. Kreisdirigent Hans-Albert Schwarz, Alois Scherer, der Leiter der Gruppe Hochwald, und der Vereinsvorsitzende nahmen die Ehrungen vor.

Eine besondere Ehrung erfuhren Heinrich Michels jun. und Richard Ludwig. Für ihre 30jährige aktive Tätigkeit erhielten sie die Ehrennadel in Gold. Geehrt wurden auch die langjährigen früheren Vorsitzenden Richard Alt, Peter Rausch, Heinrich Michels jun. und Peter Weber.

Im weiteren Verlauf wurden als Gründungsmitglieder Otto Ludwig, Albert Ludwig, Peter Ludwig und Heinrich Michels sen. geehrt. Nach den Darbietungen der Musikvereine wurde bis in die tiefe Nacht mit den "Biwer-Boys" getanzt.

An den beiden folgenden Tagen unterhielten 23 Gastvereine und die Danceband "Sunset" die zahlreichen Festbesucher. Das Fest klang aus mit einem großen Konzert der Stadtkapelle Hermeskeil, die das Festzelt bis auf den letzten Platz füllte.